Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte
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ANNALEN DER PHYSIK.
VIERTE FOLGE. BAND 55.
1. Prinzipielles zur allgemeinen Relativitätstheorie;
von A. Einstein.
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Eine Reihe von Publikationen der letzten Zeit, insbesondere
die neulich in diesen Annalen 53. Heft 16 erschienene scharf-
sinnige Arbeit von Kretschmann, veranlassen mich, noch-
mals auf die Grundlagen der allgemeinen Relativitätstheorie
zurückzukommen. Dabei ist es mein Ziel, lediglich die Grund-
gedanken herauszuheben, wobei ich die Theorie als bekannt
Die Theorie, wie sie mir heute vorschwebt, beruht auf drei
Hauptgesichtspunkten, die allerdings keineswegs voneinander
unabhängig sind. Sie seien im folgenden kurz angeführt und
charakterisiert und hierauf im nachfolgenden von einigen Seiten
a)Relativitätsprinzip: Die Naturgesetze sind nur Aussagen
über zeiträumliche Koinzidenzen; sie finden deshalb ihren einzig
natürlichen Ausdruck in allgemein kovarianten
b)Äquivalenzprinzip: Trägheit und Schwere sind wesens-
gleich. Hieraus und aus den Ergebnissen der speziellen Re-
lativitätstheorie folgt notwendig, daß der symmetrische ,,Fun-
damentaltensor“ (g) die metrischen Eigenschaften des Raumes,
das Trägheitsverhalten der Körper in ihm, sowie die Gravitations-
wirkungen bestimmt. Den durch den Fundamentaltensor be-
schriebenen Raumzustand wollen wir als ,,G-Feld“ bezeichnen.
c)Machsches Prinzip1): Das G-Feld ist restlos durch die
Massen der Körper bestimmt. Da Masse und Energie nach
1) Bisher habe ich die Prinzipe a) und c) nicht auseinandergehalten,
was aber verwirrend wirkte. Den Namen ,,Machsches Prinzip“ habe
ich deshalb gewählt, weil dies Prinzip eine Verallgemeinerung der Mach-
schen Forderung bedeutet, daß die Trägheit auf eine Wechselwirkung
der Körper zurückgeführt werden
den Ergebnissen der speziellen Relativitätstheorie das Gleiche
sind und die Energie formal durch den symmetrischen Energie-
tensor (T) beschrieben wird, so besagt dies, daß das G-Feld
durch den Energietensor der Materie bedingt und bestimmt
Zu a) bemerkt Hr. Kretschmann, das so formulierte
Relativitätsprinzip sei keine Aussage über die physikalische
Realität, d. h. über den Inhalt der Naturgesetze, sondern nur
eine Forderung bezüglich der Formulierung.
Da nämlich die gesamte physikalische Erfahrung sich nur auf
Koinzidenzen beziehe, müsse es stets möglich sein, Erfahrungen
über die gesetzlichen Zusammenhänge dieser Koinzidenzen durch
allgemein kovariante Gleichungen darzustellen. Er hält es
deshalb für nötig, einen anderen Sinn mit der Relativitäts-
forderung zu verbinden. Ich halte Hrn. Kretschmanns Argu-
ment für richtig, die von ihm vorgeschlagene Neuerung jedoch
nicht für empfehlenswert. Wenn es nämlich auch richtig ist,
daß man jedes empirische Gesetz in allgemein kovariante Form
muß bringen können, so besitzt das Prinzip a) doch eine be-
deutende heuristische Kraft, die sich am Gravitationsproblem
ja schon glänzend bewährt hat und auf folgendem beruht. Von
zwei mit der Erfahrung vereinbarten theoretischen Systemen
wird dasjenige zu bevorzugen sein, welches vom Standpunkte
des absoluten Differentialkalküls das einfachere und durch-
sichtigere ist. Man bringe einmal die Newtonsche Gravita-
tionsmechanik in die Form von absolut kovarianten Gleichungen
(vierdimensional) und man wird sicherlich überzeugt sein, daß
das Prinzip a) diese Theorie zwar nicht theoretisch, aber prak-
tisch
Das Prinzip b) hat den Ausgangspunkt der ganzen Theorie
gebildet und erst die Aufstellung des Prinzipes a) mit sich ge-
bracht; es kann sicherlich nicht verlassen werden, solange man
am Grundgedanken des theoretischen Systems festhalten
Anders ist es mit dem ,,Machschen Prinzip“ c); die Not-
wendigkeit, an diesem festzuhalten, wird keineswegs von allen
Fachgenossen geteilt, ich selbst aber empfinde seine Erfüllung
als unbedingt notwendig. Nach c) darf gemäß den Gravitations-
Feldgleichungen kein G-Feld möglich sein ohne Materie. Das
Postulat c) hängt offenbar aufs engste mit der Frage nach der
zeiträumlichen Struktur des Weltganzen zusammen; denn an
der Erzeugung des G-Feldes werden alle Massen der Welt
Als allgemein kovariante Feldgleichungen der Gravitation
hatte ich zunächst vorgeschlagen
| (1) |
wobei zur
gesetzt ist. Diese Feldgleichungen erfüllen aber das Postulat
c) nicht; denn sie lassen die Lösung
Nach den Gleichungen (1) wäre also im Widerspruch mit dem
Machschen Postulat ein G-Feld denkbar ohne jede erzeugende
Das Postulat c) wird aber -- soweit meine bisherige Ein-
sicht reicht -- erfüllt durch die aus (1) durch Hinzufügung
des ,,-Gliedes“ gebildeten Feldgleichungen1
| (2) |
Ein singularitätenfreies Raum-Zeit-Kontinuum mit überall ver-
schwindendem Energietensor der Materie scheint es nach (2)
nicht zu geben. Die einfachste nach (2) denkbare Lösung ist
eine statische, in den räumlichen Koordinaten sphärische bzw.
elliptische Welt mit gleichmäßig verteilter, ruhender Materie.
Man kann sich so aber nicht nur eine Welt gedanklich kon-
struieren, welche dem Machschen Postulat entspricht; man
kann sich vielmehr vorstellen, daß unsere wirkliche Welt durch
die eben genannte sphärische approximiert wird. In unserer
Welt ist zwar die Materie nicht gleichmäßig verteilt, sondern
in einzelnen Himmelskörpern konzentriert, nicht ruhend, sondern
in (gegen die Lichtgeschwindigkeit langsamer) relativer Be-
wegung begriffen. Aber es ist sehr wohl möglich, daß die
mittlere, (,,natürlich gemessene“) räumliche Dichte der Materie,
1) Kosmologische Betrachtungen zur allgemeinen Relativitätstheorie.
Berl. Ber. 1917, S. 142.
genommen für Räume, die sehr viele Fixsterne umspannen,
eine nahezu konstante Größe in der Welt ist. In diesem Falle
müssen die Gleichungen (1) durch ein Zusatzglied vom Charakter
des -Gliedes ergänzt werden; es muß dann die Welt in sich
geschlossen sein, und ihre Geometrie weicht von der eines
sphärischen bzw. elliptischen Raumes nur wenig und nur lokal
ab, wie etwa die Gestalt der Erdoberfläche von der eines
Ellipsoides
(Eingegangen 6. März 1918.)
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