Max Planck Institute for the History of Science

Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte

























































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13. Das Prinzip von der Erhaltung der Schwer-
punktsbewegung und die Trägheit der Energie;
von A.Einstein.

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In einer voriges Jahr publizierten Arbeit1) habe ich ge-
zeigt
, daß die Maxwellschen elektromagnetischen Gleichungen
in
Verbindung mit dem Relativitätsprinzip und Energieprinzip
zu
der Folgerung führen, daß die Masse eines Körpers bei
Änderung
von dessen Energieinhalt sich ändere, welcher Art
auch
jene Energieänderung sein möge. Es zeigte sich, daß
einer
Energieänderung von der Größe E eine gleichsinnige
Änderung
der Masse von der Größe E/V 2 entsprechen
müsse
, wobei V die Lichtgeschwindigkeit

In dieser Arbeit will ich nun zeigen, daß jener Satz die
notwendige
und hinreichende Bedingung dafür ist, daß das
Gesetz
von der Erhaltung der Bewegung des Schwerpunktes
(wenigstens in erster Annäherung) auch für Systeme gelte, in
welchen
außer mechanische auch elektromagnetische Prozesse
vorkommen
. Trotzdem die einfachen formalen Betrachtungen,
die
zum Nachweis dieser Behauptung durchgeführt werden
müssen
, in der Hauptsache bereits in einer Arbeit von
H
. Poincaré enthalten sind2), werde ich mich doch der Über-
sichtlichkeit
halber nicht auf jene Arbeit

§ 1. Ein Spezialfall.

K sei ein im Raume frei schwebender, ruhender starrer
Hohlzylinder
. In A sei eine Einrichtung, um eine bestimmte
Menge
S strahlender Energie durch den Hohlraum nach B zu
senden
. Während der Aussendung jener Strahlungsmenge
wirkt
ein Strahlungsdruck auf die linke Innenwand des Hohl-
zylinders
K, der letzterem eine gewisse nach links gerichtete
Geschwindigkeit
verleiht. Besitzt der Hohlzylinder die Masse M,

1) A. Einstein, Ann. d. Phys. 18. p. 639.

2) H. Poincaré, Lorentz-Festschrift p. 252. 1900.

so ist diese Geschwindigkeit, wie aus den Gesetzen des Strahlungs-
druckes
leicht zu beweisen, gleich , wobei V die Licht-
geschwindigkeit
bedeutet. Diese Geschwindigkeit behält K so
lange
, bis der Strahlenkomplex, dessen räumliche Ausdehnung
im
Verhältnis zu der des Hohl-
von K sehr klein sei,
in
B absorbiert ist. Die Dauer
der
Bewegung des Hohlzylin-
ders
ist (bis auf Glieder
höherer
Ordnung) gleich V ,
wenn
; die Entfernung zwi-
schen
A und B bedeutet. Nach
Absorption
des Strahlenkomplexes in B ruht der Körper K
wieder
. Bei dem betrachteten Strahlungsvorgang hat sich K
um
die

nach links

Im Hohlraum von K sei ein der Einfachheit halber masse-
los
gedachter Körper k vorhanden nebst einem (ebenfalls masse-
losen
) Mechanismus, um den Körper k, der sich zunächst in B
befinden
möge, zwischen B und A hin und her zu bewegen.
Nachdem
die Strahlungsmenge S in B aufgenommen ist, werde
diese
Energiemenge auf k übertragen, und hierauf k nach A
bewegt
. Endlich werde die Energiemenge S in A wieder vom
Hohlzylinder
K aufgenommen und k wieder nach B zurück-
bewegt
. Das ganze System hat nun einen vollständigen Kreis-
prozeß
durchgemacht, den man sich beliebig oft wiederholt
denken

Nimmt man an, daß der Transportkörper k auch dann
masselos
ist, wenn er die Ennergiemenge S aufgenommen hat,
so
muß man auch annehmen, daß der Rücktransport der
Energiemenge
S nicht mit einer Lagenänderung des Hohl-
zylinders
K verbunden sei. Der Erfolg des ganzen geschilderten
Kreisprozesses
besteht also einzig in einer Verschiebung des
ganzen
Systems nach links, welche Verschiebung durch Wieder-
holung
des Kreisprozesses beliebig groß gemacht werden kann.
Wir
erhalten also das Resultat, daß ein ursprünglich ruhendes
System
, ohne daß äußere Kräfte auf dasselbe wirken, die Lage

seines Schwerpunktes beliebig viel verändern kann, und zwar
ohne
daß das System irgend eine dauernde Veränderung

Es ist klar, daß das erlangte Resultat keinen inneren
Widerspruch
enthält; wohl aber widerstreitet es den Grund-
gesetzen
der Mechanik, nach denen ein ursprünglich ruhender
Körper
, auf welchen andere Körper nicht einwirken, keine
Translationsbewegung
ausführen

Setzt man jedoch voraus, daß jeglicher Energie E die
Trägheit
E V 2 zukomme, so verschwindet der Widerspruch
mit
den Elementen der Mechanik. Nach dieser Annahme be-
sitzt
nämlich der Transportkörper, während er die Energie-
menge
S von B nach A transportiert, die Masse S V 2; und
da
der Schwerpunkt des ganzen Systems während dieses Vor-
ganges
nach dem Schwerpunktssatz ruhen muß, so erfährt
der
Hohlzylinder K während desselben im ganzen eine Ver-
schiebung
S' nach rechts von der

Ein Vergleich mit dem oben gefundenen Resultat zeigt,
daß
(wenigstens in erster Annäherung) = ' ist, daß also die
Lage
des Systems vor und nach dem Kreisprozeß dieselbe ist.
Damit
ist der Widerspruch mit den Elementen der Mechanik
beseitigt
.

§ 2. Über den Satz von der Erhaltung der Bewegung des
Schwerpunktes.

Wir betrachten ein System von n diskreten materiellen
Punkten
mit den Massen m1, m2 ... mn und den Schwerpunkts-
koordinaten
x1 ...zn. Diese materiellen Punkte seien in ther-
mischer
und elektrischer Beziehung nicht als Elementargebilde
(Atome, Moleküle), sondern als Körper im gewöhnlichen Sinne
von
geringen Dimensionen aufzufassen, deren Energie durch die
Schwerpunktsgeschwindigkeit
nicht bestimmt sei. Diese Massen
mögen
sowohl durch elektromagnetische Vorgänge als auch durch
konservative
Kräfte (z. B. Schwerkraft, starre Verbindungen)
aufeinander
einwirken; wir wollen jedoch annehmen, daß sowohl
die
potenzielle Energie der konservativen Kräfte als auch die

kinetische Energie der Schwerpunktsbewegung der Massen stets
als
unendlich klein relativ zu der ,,innerenEnergie der
Massen
m1 ...mn aufzufassen

Es mögen im ganzen Raume die Maxwell-Lorenzschen
Gleichungen

(1)

gelten,

die 4 -fache Dichte der Elektrizität

Addiert man die der Reihe nach

multiplizierten Gleichungen (1) und integriert man dieselben
über
den ganzen Raum, so erhält man nach einigen partiellen
Integrationen
die Gleichung

(2)

Das erste Glied dieser Gleichung stellt die von dem elektro-
magnetischen
Felde den Körpern m1 ...mn zugeführte Energie
dar
. Nach unserer Hypothese von der Abhängigkeit der
Massen
von der Energie hat man daher das erste Glied der
Summe
dem

gleichzusetzen, da wir nach dem Obigen annehmen, daß die
einzelnen
materiellen Punkte m ihre Energie und daher auch
ihre
Masse nur durch Aufnahme von elektromagnetischer Energie

Schreiben wir ferner auch dem elektromagnetischen Felde
eine
zu, die sich von der Energiedichte durch
den
Faktor 1 V 2 unterscheidet, so nimmt das zweite Glied
der
Gleichung die Form

Bezeichnet man mit J das im dritten Gliede der Gleichung (2)
auftretende
Integral, so geht letztere über

(2a)

Wir haben nun die Bedeutung des Integrales J aufzu-
suchen
. Multipliziert man die zweite, dritte, fünfte und sechste
der
Gleichungen (1) der Reihe nach mit den Faktoren N V ,
-M V , -Z V , Y V , addiert und integriert über den Raum,
so
erhält man nach einigen partiellen

(3)

wobei Rx die algebraische Summe der X-Komponenten aller
vom
elektromagnetischen Felde auf die Massen m1 ...mn aus-
geübten
Kräfte bedeutet. Da die entsprechende Summe aller
von
den konservativen Wechselwirkungen herrührenden Kräfte
verschwindet
, so ist Rx gleichzeitig die Summe der X-Kom-
ponenten
aller auf die Msssen m ausgeübten

Wir wollen uns nun zunächst mit Gleichung (3) befassen,
welche
von der Hypothese, daß die Masse von der Energie
abhängig
sei, unabhängig ist. Sehen wir zunächst von der
Abhängigkeit
der Massen von der Energie ab und bezeichnen
wir
mit æ die Resultierende aller X-Komponenten der auf m
wirkenden
Kräfte, so haben wir für die Masse m die Be-
wegungsgleichung

(4)

folglich erhalten wir auch:

(5)

Aus Gleichung (5) und Gleichung (3) erhält man

(6)

Führen wir nun die Hypothese wieder ein, daß die
Größen
m von der Energie also auch von der Zeit abhängen,
so
stellt sich uns die Schwierigkeit entgegen, daß für diesen
Fall
die mechanischen Gleichungen nicht mehr bekannt sind;
das
erste Gleichheitszeichen der Gleichung (4) gilt nun nicht
mehr
. Es ist jedoch zu beachten, daß die Differenz

in den Geschwindigkeiten vom zweiten Grade ist. Sind daher
alle
Geschwindigkeiten so klein, daß Glieder zweiten Grades
vernachlässigt
werden dürfen, so gilt auch bei Veränderlichkeit
der
Masse m die

sicher mit der in Betracht kommenden Genauigkeit. Es gelten
dann
auch die Gleichungen (5) und (6), und man erhält aus
den
Gleichungen (6) und (2a):

(2b)

Bezeichnet die X-Koordinate des Schwerpunktes der
ponderabelen
Massen und der Energiemasse des elektromagne-
tischen
Feldes, so

wobei nach dem Energieprinzip der Wert des Nenners der

rechten Seite von der Zeit unabhängig ist.1) Wir können daher
Gleichung
(2b) auch in der Form schreiben:

(2c)

Schreibt man also jeglicher Energie E die träge Masse E V 2
zu
, so gilt -- wenigstens in erster Annäherung -- das Prinzip
von
der Erhaltung der Bewegung des Schwerpunktes auch für
Systeme
, in denen elektromagnetische Prozesse

Aus der vorstehenden Untersuchung folgt, daß man ent-
weder
auf den Grundsatz der Mechanik, nach welchem ein
ursprünglich
ruhender, äußeren Kräften nicht unterworfener
Körper
keine Translationshewegung ausführen kann, verzichten
oder
annehmen muß, daß die Trägheit eines Körpers nach
dem
angegebenen Gesetze von dessen Energieinhalt abhänge.

Bern, Mai

1) Nach der in dieser Arbeit entwickelten Auffassung ist der Satz
von
der Konstanz der Masse ein Spezialfall des

(Eingegangen 17. Mai 1906.)

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