Max Planck Institute for the History of Science

Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte

























































Document link:

http://echo.mpiwg-berlin.mpg.de/ECHOdocuView

?url=

6. Kinetische Theorie des Wärmegleichgewichtes
und deszweiten Hauptsatzes der Thermodynamik;
von A.Einstein.

----------

So gross die Errungenschaften der kinetischen Theorie
der
Wärme auf dem Gebiete der Gastheorie gewesen sind, so
ist
doch bis jetzt die Mechanik nicht im stande gewesen, eine
hinreichende
Grundlage für die allgemeine Wärmetheorie zu
liefern
, weil es bis jetzt nicht gelungen ist, die Sätze über
das
Wärmegleichgewicht und den zweiten Hauptsatz unter
alleiniger
Benutzung der mechanischen Gleichungen und der
Wahrscheinlichkeitsrechnung
herzuleiten, obwohl Maxwell’s
und
Boltzmann’s Theorien diesem Ziele bereits nahe ge-
kommen
sind. Zweck der nachfolgenden Betrachtung ist es,
diese
Lücke auszufüllen. Dabei wird sich gleichzeitig eine
Erweiterung
des zweiten Hauptsatzes ergeben, welche für die
Anwendung
der Thermodynamik von Wichtigkeit ist. Ferner
wird
sich der mathematische Ausdruck für die Entropie vom
mechanischen
Standpunkt aus

§ 1. Mechanisches Bild für ein physikalisches System.

Wir denken uns ein beliebiges physikalisches System dar-
stellbar
durch ein mechanisches System, dessen Zustand durch
sehr
viele Coordinaten p1, ... pn und die dazu gehörigen Ge-

eindeutig bestimmt sei. Die Energie E derselben bestehe aus
zwei
Summanden, der potentiellen Energie V und der lebendigen
Kraft
L. Erstere sei eine Function der Coordinaten allein,
letztere
eine quadratische Function

deren Coefficienten beliebige Function der p sind. Auf die
Massen
des Systems sollen zweierlei äussere Kräfte wirken.

Die einen seien von einem Potentiale V a ableitbar und sollen
die
äusseren Bedingungen (Schwerkraft, Wirkung von festen
Wänden
ohne thermische Wirkung etc.) darstellen; ihr Potential
kann
die Zeit explicite enthalten, doch soll seine Ableitung
nach
derselben sehr klein sein. Die anderen Kräfte seien
nicht
von einem Potential ableitbar und seien schnell ver-
änderlich
. Sie sind als diejenigen Kräfte aufzufassen, welche
die
Wärmezufuhr bewirken. Wirken solche Kräfte nicht, ist
V a explicite von der Zeit abhängig, so haben wir einen
adiabatischen
Process vor

Wir werden auch statt der Geschwindigkeiten, lineare
Functionen
derselben, die Momente q1, ... qn als Zustands-
variable
des System einführen, welche durch n Gleichungen
von
der

definirt sind, wobei L als Function der p1, ... pn und
p1', ... pn' zu denken

§ 2. Ueber die Verteilung der möglichen Zustände unter N
identischen
adiabatischen stationären Systemen, bei nahezu
gleichem
Energieinhalt.

Seien unendlich viele (N) Systeme gleicher Art vorhanden,
deren
Energieinhalt zwischen den bestimmten sehr wenig ver-
schiedenen
Werten E und E + E continuirlich verteilt sind.
Aeussere
Kräfte, welche nicht von einem Potential ableitbar
sind
, sollen nicht vorhanden sein und V a möge die Zeit nicht
explicite
enthalten, sodass das System ein conservatives System
ist
. Wir untersuchen die Zustandsverteilung, von welcher wir
voraussetzen
, dass sie stationär

Wir machen die Voraussetzung, dass ausser der Energie
E = L + V a + V i oder einer Function dieser Grösse, für das
einzelne
System keine Function der Zustandsvariabeln p und q
allein
vorhanden sei, welche mit der Zeit sich nicht ändert;
auch
fernerhin seien nur Systeme betrachtet, welche diese
Bedingung
erfüllen. Unsere Voraussetzung ist gleichbedeutend
mit
der Annahme, dass die Zustandsverteilung unserer Systeme
durch
den Wert von E bestimmt sei, und sich aus jeden be-
liebigen
Anfangswerten der Zustandsvariabeln, welche nur

unserer Bedingung für den Wert der Energie Genüge leisten,
von
selbst herstelle. Existirte nämlich für das System noch
eine
Bedingung von der (p1. ... qn) = const., welche
nicht
auf die Form = const. gebracht werden kann, so
wäre
offenbar durch geeignete Wahl der Anfangsbedingungen
zu
erzielen, dass für jedes der N Systeme einen beliebigen
vorgeschriebenen
Wert hätte. Da sich diese Werte aber mit
der
Zeit nicht ändern, so folgt z. B., dass der Grösse ,
erstreckt
über alle Systeme, bei gegebenem Werte von E,
durch
geeignete Wahl der Anfangsbedingungen, jeder beliebige
Wert
erteilt werden könnte. ist nun andererseits aus
der
Zustandsverteilung eindeutig berechenbar, sodass anderen
Werten
von andere Zustandsverteilungen entsprechen.
Man
ersieht also, dass die Existenz eines zweiten solchen
Integrals
notwendig zur Folge hat, dass durch E allein die
Zustandsverteilung
noch nicht bestimmt wäre, sondern dass
dieselbe
notwendig vom Anfangszustande der Systeme abhängen

Bezeichnet man mit g ein unendlich kleines Gebiet aller
p1, ... pn, q1, ... qn, welches so gewählt
sein
soll, dass E (p1, ... qn) zwischen E E + E liegt,
wenn
die Zustandsvariabeln dem Gebiete g angehören, so ist
die
Verteilung der Zustände durch eine Gleichung von folgender
Form
zu

dN bedeutet die Anzahl der Systeme, deren Zustandsvariable
zu
einer bestimmten Zeit dem Gebiete g zugehören. Die
Gleichung
sagt die Bedingung aus, dass die Verteilung
stationär

Wir wählen nun ein solches unendlich kleines Gebiet G.
Die
Anzahl der Systeme, deren Zustandsvariable zu irgend
einer
bestimmten Zeit t = 0 dem Gebiete G angehören, ist dann

wobei die grossen Buchstaben die Zugehörigkeit der abhängigen
Variabeln
zur t = 0 andeuten sollen.

Wir lassen nun die beliebige Zeit t verstreichen. Besass
ein
System in t = 0 die bestimmten Zustandsvariabeln P1, ... Qn,
so
besitzt es zur Zeit t = t die bestimmten Zustandsvariabeln
p1, ... qn. Die Systeme, deren Zustandsvariabeln t = 0 dem
Gebiete
G angehörten, und zwar nur diese, gehören zur Zeit t = t
einem
bestimmten Gebiete g an, sodass also die Gleichung

Für jedes derartige System gilt aber der Satz von Liouville,
welcher
die Form

Aus den drei letzten Gleichungen

ist also eine Invariante des Systems, welche nach dem
obigen
die Form haben (p1, ... qn) = *(E). Für
alle
betrachteten Systeme ist aber *(E) nur unendlich wenig
verschieden
von *(E) = const., und unsere Zustandsgleichung
lautet

wobei A eine von den p und q unabhängige Grösse

§ 3. Ueber die (stationäre) Wahrscheinlichkeit der Zustände
eines
Systems S, das mit einem System von relativ unendlich
grosser
Energie mechanisch verbunden ist.

Wir betrachten wieder unendlich viele (N) mechanische
Systeme
, deren Energie zwischen zwei unendlich wenig ver-
schiedenen
Grenzen E und E + E liege. Jedes solche mecha-
nische
System sei wieder eine mechanische Verbindung eines
Systems
S mit den Zustandsvariabeln p1, ...qn und eines
Systems
mit den Zustandsvariabeln 1 ... n. Der Aus-
druck
für die Gesamtenergie beider Systeme soll so beschaffen
sein
, dass jene Terme der Energie, welche durch Einwirkung
der
Massen eines Teilsystems auf die des anderen Teilsystems

1) Vgl. L. Boltzmann, Gastheorie, II. Teil. § 32 u. § 37.

hinzukommen, gegen die Energie E des Teilsystems S zu ver-
nachlässigen
seien. Ferner sei die Energie H des Teilsystems
unendlich
gross gegen E. Bis auf unendlich Kleines höherer
Ordnung
lässt sich dann

Wir wählen nun ein in allen Zustandsvariabeln p1 ... qn,
1 ... n unendlich kleines Gebiet g, welches so beschaffen sei,
dass
E zwischen den constanten Werten E E + E liege.
Die
Anzahl dN der Systeme, deren Zustandsvariabeln dem
Gebiet
g angehören, ist dann nach dem Resultate des vorigen

Wir bemerken nun, dass es in unserem Belieben steht, statt A
irgend
eine stetige Function der Energie zu setzen, welche
für
E + E den Wert A annimmt. Dadurch ändert sich nämlich
unser
Resultat nur unendlich wenig. Als diese Function wählen
wir
A'.e-2hE, wobei h eine vorläufig beliebige Constante
bedeutet
, über welche wir bald verfügen werden. Wir
schreiben

Wir fragen nun: Wie viele Systeme befinden sich in Zuständen,
sodass
p1 zwischen p1 und p1 + dp1,p2 bez. p2 und p2 + dp2 ... qn
zwischen
qn und qn + dqn, 1 ... n aber beliebige, mit den
Bedingungen
unserer Systeme verträgliche Werte besitzen?
Nennt
man diese Anzahl dN', so erhält

Die Integration erstreckt sich dabei auf jene Werte der Zu-
standsvariabeln
, für welche H zwischen E - E und E - E + E
liegt
. Wir behaupten nun, der Wert von h sei auf eine und
nur
eine Weise so zu wählen, dass das in unserer Gleichung
auftretende
Integral von E unabhängig

Das Integral e-2hH d1 ... dn, wobei die Grenzen der
Integration
durch die Grenzen E und E + E bestimmt sein
mögen
, ist nämlich bei bestimmtem E offenbar lediglich

Function von E allein; nennen wir dieselbe (E). Dass in
dem
Ausdruck für dN' auftretende Integral lässt sich dann
in
der Form

Da nun E gegen E unendlich klein ist, so lässt sich dies bis
auf
unendlich Kleines höherer Ordnung in der Form

Die notwendige und hinreichende Bedingung dafür, dass jenes
Integral
von E unabhängig ist, lautet

Nun lässt sich aber

wobei (E) = d1 ... dn, erstreckt über alle Werte der
Variabeln
, deren Energiefunction zwischen E und E + E

Die gefundene Bedingung für h nimmt also die Form

Es giebt also stets einen und nur einen Wert für h,
welcher
die gefundenen Bedingungen erfüllt. Da ferner, wie
im
nächsten Paragraphen gezeigt werden (E) und '(E)
stets
positiv sind, ist auch h stets eine positive

Wählen wir h in dieser Weise, so reducirt sich das
Integral
auf eine von E unabhängige Grösse, sodass wir für
die
Zahl der Systeme, deren Variabeln p1, ... qn in den be-
zeichneten
Grenzen liegen, den Ausdruck

Dies ist also auch bei anderer Bedeutung von A'' der Aus-
druck
für die Wahrscheinlichkeit, dass die Zustandsvariabeln
eines
mit einem System von relativ unendlich grosser Energie
mechanisch
verbundenen Systems zwischen unendlich nahen
Grenzen
liegen, wenn der Zustand stationär geworden

§ 4. Beweis dafür, dass die Grösse h positiv ist.

Sei (x) eine homogene, quadratische Function der Variabeln
x1 ... xn. Wir betrachten die Grösse z = dx1 ... xn, wobei
die
Integrationsgrenzen dadurch bestimmt sein mögen, dass
(x) zwischen einem gewissen Wert y und y + liege, wobei
eine
Constante sei. Wir behaupten, dass z, welches allein
von
y Function ist, stets mit wachsendem y zunimmt, wenn
n >

Führen wir die neuen Variabeln ein x1 = x1' ... xn = xn',
wobei
= const., dann

Ferner erhalten wir (x) = 2 (x'

Die Integrationsgrenzen des gewonnenen Integrals lauten
also
für (x'

Ist ferner unendlich klein, was wir annehmen, so erhalten

Hierbei ist y' zwischen den

Obige Gleichung lässt sich auch

Wählt man positiv und n > 2, so ist also

was zu beweisen

Dieses Resultat benutzen wir, um zu beweisen, dass h
positiv

Wir

und E zwischen E und E + E. (E) ist der Definition nach
notwendig
positiv, wir haben nur zu zeigen, dass auch '(E)
stets
positiv

Wir wählen E1 und E2, sodass E2 > E1, und beweisen,
dass
(E2) > (E1) und zerlegen (E1) in unendlich viele
Summanden
von der

Bei dem angedeuteten Integral besitzen die p bestimmte und
zwar
solche Werte, V E1. Die Integrationsgrenzen des
lntegrals
sind so charakterisirt, dass L E1 - V und
E1 + E - V

Jedem unendlich kleinen derartigen Summanden entspricht
aus
(E2) ein Term von der

wobei die p und dp die nämlichen Werte haben wie in d,
L aber zwischen den Grenzen E2 - V und E2 - V + E

Es ist also nach dem eben bewiesenen

wobei über alle entsprechende Gebiete der p zu erstrecken ist.

Es ist

wenn das Summenzeichen über alle p erstreckt wird, sodass

Ferner

weil das Gebiet der p, welches durch die

bestimmt wird, das durch die

definirte Gebiet vollständig in sich einschliesst.

§ 5. Ueber das Temperaturgleichgewicht.

Wir wählen nun ein System S von ganz bestimmter Be-
schaffenheit
und nennen es Thermometer. Es stehe mit dem
System
von relativ unendlich grosser Energie in mecha-
nischer
Wechselwirkung. Ist der Zustand des Ganzen stationär,
so
ist der Zustand des Thermometers durch die Gleichung

wobei d W die Wahrscheinlichkeit dafür bedeutet, dass die
Werte
der Zustandsvariabeln des Thermometers innerhalb der
angedeuteten
Grenzen liegen. Dabei besteht zwischen den
Constanten
A und h die

wobei die Integration über alle möglichen Werte der Zustands-
variabeln
erstreckt ist. Die Grösse h bestimmt also den Zu-
stand
des Thermometers vollkommen. Wir nennen h die Tem-
peraturfunction
, indem wir bemerken, dass nach dem Gesagten
jede
an dem System S beobachtbare Grösse H Function von h
allein
sein muss, solange V a unverändert bleibt, was wir an-
genommen
haben. Die Grösse h aber hängt lediglich vom
Zustande
des Systems ab (§ 3), ist also unabhängig davon,
wie
mit S thermisch verbunden ist. Es folgt daraus un-
mittelbar
der Satz: Ist ein System mit zwei unendlich
kleinen
Thermometern S und S' verbunden, so kommt diesen
beiden
Thermometern dieselbe Grösse h zu. Sind S und S'
identische
Systeme, so kommt ihnen auch noch derselbe Wert
der
beobachtbaren Grösse H

Wir führen nun nur identische Thermometer S ein und
nennen
H das beobachtbare Temperaturmaass. Wir erhalten
also
den Satz: Das an S beobachtbare Temperaturmaass H
ist
unabhängig von der Art, wie mit S mechanisch ver-
bunden
ist; die Grösse H bestimmt h, dieses die Energie E
des
Systems und diese dessen Zustand nach unserer Vor-

Aus dem Bewiesenen folgt sofort, dass zwei Systeme
1 und 2 im Falle mechanischer Verbindung kein im statio-

nären Zustand befindliches System bilden können, wenn nicht
zwei
mit ihnen verbundene Thermometer S gleiches Tem-
peraturmaass
oder, was dasselbe bedeutet, sie selbst gleiche
Temperaturfunction
besitzen. Da der Zustand der Systeme
1 2 durch die Grössen h1 und h2 oder H1 und H2
vollständig
definirt wird, so folgt, dass das Temperaturgleich-
gewicht
lediglich durch die Bedingungen h1 = h2 H1 = H2
bestimmt
sein

Es bleibt jetzt noch übrig, zu zeigen, dass zwei Systeme
von
gleicher Temperaturfunction h (oder gleichem Temperatur-
maass
H) mechanisch verbunden werden können zu einem
einzigen
System von gleicher

Seien zwei mechanische Systeme 1 und 2 mechanisch
zu
einem System verschmolzen, so jedoch, dass die Terme
der
Energie unendlich klein sind, welche Zustandsvariabeln
beider
Systeme enthalten. Sowohl 1 als 2 seien verknüpft
mit
einem unendlich kleinen Thermometer S. Die Angaben
H1 und H2 desselben sind bis auf unendlich Kleines jeden-
falls
dieselben, weil sie sich nur auf verschiedene Stellen, eines
einzigen
, im stationären Zustande befindlichen Systems be-
ziehen
. Ebenso natürlich die Grössen h1 und h2. Wir denken
uns
nun unendlich langsam die beiden Systemen gemeinsame
Terme
der Energie gegen Null hin abnehmen. Hierbei ändern
sich
sowohl die Grössen H und h, als auch die Zustands-
verteilungen
beider Systeme unendlich wenig, da diese allein
durch
die Energie bestimmt sind. Ist dann die vollständige
mechanische
Trennung von 1 und 2 ausgeführt, so bleiben
gleichwohl
die

bestehen und die Zustandsverteilung ist unendlich wenig ver-
ändert
. H1 und h1 beziehen sich aber nur mehr auf 1,
H2 und h2 nur mehr auf 2. Unser Process ist streng um-
kehrbar
, da er sich aus einer Aufeinanderfolge von stationären
Zuständen
zusammensetzt. Wir erhalten also den

Zwei Systeme von der gleichen Temperaturfunction h
lassen
sich zu einem einzigen System von der Temperatur-
function
h verknüpfen, sodass sich deren Zustandsverteilung
unendlich
wenig ändert.

Gleichheit der Grössen h ist also die notwendige und
hinreichende
Bedingung für die stationäre Verknüpfung (Wärme-
gleichgewicht
) zweier Systeme. Daraus folgt sofort: Sind die
Systeme
1 und 2, und die Systeme 1 und 3 statiouär
mechanisch
verknüpfbar (im Wärmegleichgewichte), so sind
es
auch 2 3

Ich will hier bemerken, dass wir bis jetzt von der Vor-
aussetzung
, dass unsere Systeme mechanische seien, nur inso-
fern
Gebrauch gemacht haben, als wir den Liouville’schen
Satz
und das Energieprincip verwendet haben. Wahrschein-
lich
lassen sich die Fundamente der Wärmetheorie für noch
weit
allgemeiner definirte Systeme entwickeln. Solches wollen
wir
hier jedoch nicht versuchen, sondern uns auf die mecha-
nischen
Gleichungen stützen. Die wichtige Frage, inwiefern
sich
der Gedankengang von dem benutzten Bilde loslösen und
verallgemeinern
lässt, werden wir hier nicht

§ 6. Ueber die mechanische Bedeutung der Grösse h.1)

Die lebendige Kraft L eines Systems ist eine homogene
quadratische
Function der Grössen q. Durch eine lineare
Substitution
lassen sich stets Variable r einführen, sodass die
lebendige
Kraft in der Form

und

wenn man die Integrale über entsprechende unendlich kleine
Gebiete
ausdehnt. Die Grössen r nennt Boltzmann Momen-
toiden
. Die mittlere lebendige Kraft, welche einer Momentoide
entspricht
, wenn das System mit einem anderen, von viel
grösserer
Energie, ein System bildet, nimmt die Form

1) Vgl. L. Boltzmann, Gastheorie, II. Teil, §§ 33, 34, 42.

Die mittlere lebendige Kraft aller Momentoiden eines
Systems
ist also dieselbe und

wobei L die lebendige Kraft des Systems bedeutet.

§ 7. Ideale Gase. Absolute Temperatur.

Die entwickelte Theorie enthält als speciellen Fall die
Maxwell’sche
Zustandsverteilung der idealen Gase. Verstehen
wir
nämlich in § 3 unter dem System S ein Gasmolecül, unter
die Gesamtheit aller anderen, so folgt für die Wahrschein-
lichkeit
, dass die Werte der Variabeln p1...qn von S in
einem
in Bezug auf alle Variabeln unendlich kleinen Gebiet g
liegen
, der

Auch erkennt man sogleich aus unserem, für die Grösse h in
§ 3 gefundenen Ausdruck, dass die Grösse h bis auf unend-
lich
Kleines die nämliche wäre für ein Gasmolecül anderer
Art
, welches in dem Systeme vorkommt, in dem die Systeme ,
welche
h bestimmen, für beide Molecüle bis auf unendlich
Kleines
identisch sind. Damit ist die verallgemeinerte Max-
well’sche
Zustandsverteilung für ideale Gase erwiesen.

Ferner folgt sofort, dass die mittlere lebendige Kraft der
Schwerpunktsbewegung
eines Gasmolecüles, welches in einem
System
S vorkommt, den Wert 3/4 h besitzt, weil dieselbe drei
Momentoiden
entspricht. Nun lehrt die kinetische Gastheorie,
dass
diese Grösse proportional dem vom Gase bei constanten
Volumen
ausgeübten Druck ist. Setzt man diesen definitions-
gemäss
der absoluten Temperatur T proportional, so hat man
eine
Beziehung von der

wobei z eine universelle Constante, die in § 3 eingeführte
Function

§ 8. Der zweite Hauptsatz der Wärmetheorie als Folgerung der
mechanischen
Theorie.

Wir betrachten ein gegebenes physikalisches System S
als
mechanisches System mit den Coordinaten p1 ... pn. Als
Zustandsvariable
in demselben führen wir ferner die

ein. P1 ... Pn seien die äusseren Kräfte, welche die Coordi-
naten
des Systems zu vergrössern streben. V i sei die poten-
tielle
Energie des Systems, L dessen lebendige Kraft, welche
eine
homogene quadratische Function der p' ist. Die Be-
wegungsgleichungen
von Lagrange nehmen für ein solches
System
die Form

Die äusseren Kräfte setzen sich aus zweierlei Kräften zu-
sammen
. Die einen, P (1), sind diejenigen Kräfte, welche die
Bedingungen
des Systems darstellen, und von einem Potential
ableitbar
sind, welches nur Function der p1 ... pn ist (adia-
batische
Wände, Schwerkraft

Da wir Processe zu betrachten haben, welche mit unendlicher
Annäherung
aus stationären Zuständen bestehen, haben wir
anzunehmen
, dass V a die Zeit zwar explicite enthalte, dass
aber
die partiellen Ableitungen der Grössen V a/ p nach
der
Zeit unendlich klein

Die anderen Kräfte, P (2) = II, seien nicht von einem
Potential
ableitbar, welches nur von den p abhängt. Die
Kräfte
II stellen die Kräfte dar, welche die Wärmezufuhr

Setzt man V a + V i = V, so gehen die Gleichungen (1)
über
in

Die Arbeit, welche durch die Kräfte II in der Zeit dt dem
System
zugeführt wird, ist dann die Darstellung der vom

System S während dt aufgenommenen Wärmemenge dQ, welche
wir
im mechanischen Maass messen

Da

so

Da

so

(1)

Wir beschäftigen uns nun mit dem

Derselbe stellt die Zunahme des Systems an potentieller Energie
dar
, welche stattfinden würde während der Zeit dt, wenn V
nicht
explicite von der Zeit abhängig wäre. Das Zeitelement dt
sei
so gross gewählt, dass an die Stelle jener Summe deren
Mittelwert
für unendlich viele gleichtemperirte Systeme S ge-
setzt
werden kann, aber doch so klein, dass die expliciten
Aenderungen
von h und V nach der Zeit unendlich klein

Unendlich viele Systeme S im stationären Zustande, welche
alle
identische h und V a besitzen, mögen übergehen in neue
stationäre
Zustände, welche durch die allen gemeinsamen Werte
h + h, V + V charakterisirt sein mögen. ,,bezeichne
allgemein
die Aenderung einer Grösse beim Uebergang des
Systems
in den neuen Zustand; das Zeichen ,,dbezeichne
nicht
mehr die Aenderung mit der Zeit, sondern Differentiale
bestimmter
Integrale.

Die Anzahl der Systeme, deren Zustandsvariable vor der
Aenderung
innerhalb des unendlich kleinen Gebietes g sich
befinden
, ist durch die Formel

dabei steht es in unserer Willkür, für jedes gegebene h und V a
die
willkürliche Constante von V so zu wählen, dass die Con-
stante
A der Einheit gleich wird. Wir wollen dies thun, um
die
Rechnung einfacher zu gestalten, und die so genauer defi-
nirte
Function V *

Man sieht nun leicht, dass die von uns gesuchte Grösse
den
Wert

(2)

wobei die Integration über alle Werte der Variabeln zu er-
strecken
ist. Dieser Ausdruck stellt nämlich die Vermehrung
der
mittleren potentiellen Energie des Systems dar, welche
einträte
, wenn zwar die Zustandsverteilung sich gemäss V *
h änderte, V aber sich nicht explicite

Ferner erhalten

(3)

Die Integrationen sind hier und im Folgenden über alle mög-
lichen
Werte der Variabeln zu erstrecken. Ferner hat man
zu
bedenken, dass die Anzahl der betrachteten Systeme sich
nicht
ändert. Dies liefert die

(4)

V und L bezeichnen die Mittelwerte der potentiellen Energie
und
der lebendigen Kraft der N - Systeme. Durch Addition
von
(3) und (4) erhält

oder,

Setzt man diese Formel in (1) ein, so erhält

dQ/T ist also ein vollständiges Differential.

ist, so lässt sich auch

E*/T ist also bis auf eine willkürliche additive Constante der
Ausdruck
für die Entropie des Systems, wobei E* = V * + L
gesetzt
ist. Der zweite Hauptsatz erscheint also als not-
wendige
Folge des mechanischen

§ 9. Berechnung der Entropie.

Der für die Entropie gefundene Ausdruck = E*/T
ist
nur scheinbar so einfach, da E* aus den Bedingungen des
mechanischen
Systems erst berechnet werden muss. Es ist

wobei E unmittelbar gegeben, E0 aber durch die

als Function von E und h zu bestimmen ist. Man erhält

In dem so gefundenen Ausdruck ist die der Grösse E zuzu-
fügende
willkürliche Constante ohne Einfluss auf das Resultat,
und
das als ,,constbezeichnete dritte Glied ist von V und T

Der Ausdruck für die Entropie ist darum merkwürdig,
weil
er lediglich von E und T abhängt, die specielle Form
von
E als Summe potentieller Energie und lebendiger Kraft
aber
nicht mehr hervortreten lässt. Diese Thatsache lässt
vermuten
, dass unsere Resultate allgemeiner sind als die be-
nutzte
mechanische Darstellung, zumal der in § 3 für h ge-
fundene
Ausdruck dieselbe Eigenschaft

§ 10. Erweiterung des zweiten Hauptsatzes.

Ueber die Natur der Kräfte, welche dem Potential V a
entsprechen
, brauchte nichts vorausgesetzt zu werden, auch
nicht
, dass solche Kräfte in der Natur vorkommen. Die mecha-
nische
Theorie der Wärme verlangt also, dass wir zu rich-
tigen
Resultaten gelangen, wenn wir das Carnot’sche Princip
auf
ideale Processe anwenden, welche aus den beobachteten
durch
Einführung beliebiger V a erzeugt werden können. Natür-
lich
haben die aus der theoretischen Betrachtung jener Processe
gewonnenen
Resultate nur dann reale Bedeutung, wenn in
ihnen
die idealen Hülfskräfte V a nicht mehr

Bern, Juni

(Eingegangen 26. Juni 1902.)

----------