Max Planck Institute for the History of Science

Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte

























































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2. Elementare Betrachtungen
über die thermischeMolekularbewegung in festen
Körpern;

von A. Einstein.

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In einer früheren Arbeit1) habe ich dargelegt, daß zwischen
dem
Strahlungsgesetz und dem Gesetz der spezifischen Wärme
fester
Körper (Abweichung vom Dulong-Petitschen Gesetz)
ein
Zusammenhang existieren müsse2). Die Untersuchungen
Nernsts
und seiner Schüler haben nun ergeben, daß die spezi-
fische
Wärme zwar im ganzen das aus der Strahlungstheorie
gefolgerte
Verhalten zeigt, daß aber das wahre Gesetz der
spezifischen
Wärme von dem theoretisch gefundenen syste-
matisch
abweicht. Es ist ein erstes Ziel dieser Arbeit, zu
zeigen
, daß diese Abweichungen darin ihren Grund haben, daß
die
Schwingungen der Moleküle weit davon entfernt sind,
monochromatische Schwingungen zu sein. Die thermische Kapa-
zität
eines Atoms eines festen Körpers ist nicht gleich der
eines
schwach gedämpften, sondern ähnlich der eines stark
gedämpften
Oszillators im Strahlungsfelde. Der Abfall der
spezifischen
Wärme nach Null hin bei abnehmender Temperatur
erfolgt
deshalb weniger rasch, als er nach der früheren Theorie
erfolgen
sollte; der Körper verhält sich ähnlich wie ein Ge-
misch
von Resonatoren, deren Eigenfrequenzen über ein ge-
wisses
Gebiet verteilt sind. Des weiteren wird gezeigt, daß
sowohl
Lindemanns Formel, als auch meine Formel zur
Berechnung
der Eigenfrequenz der Atome durch Dimen-
sionalbertrachtung
abgeleitet werden können, insbesondere auch
die
Größenordnung der in diesen Formeln auftretenden Zahlen-

1) A. Einstein, Ann. d. Phys. 22. p. 184.

2) Die Wärmebewegung in festen Körpern wurde dabei aufgefaßt
als
in monochromatischen Schwingungen der Atome bestehend. Vgl. hierzu
§ 2 dieser Arbeit.

koeffizienten. Endlich wird gezeigt, daß die Gesetze der
Wärmeleitung
in kristallisierten Isolatoren mit der Molekular-
mechanik
nicht im Einklang sind, daß man aber die Größen-
ordnung
. der tatsächlich zu beobachtenden Wärmeleitfähigkeit
durch
eine Dimensionalbetrachtung ableiten kann, wobei sich
gleichzeitig
ergibt, wie die thermische Leitfähigkeit einatomiger
Stoffe
. von deren Atomgewicht, Atomvolumen und Eigenfrequenz
mutmaßlich

§ 1. Über die Dämpfung der thermischen Atomschwingungen.

In einer kürzlich erschienenen Arbeit1) habe ich gezeigt,
daß
man zu angenähert richtigen Werten für die Eigen-
frequenzen
der thermischen Atomschwingungen gelangt, indem
man
von folgenden Annahmen

1. Die die Atome an ihre Ruhelage fesselnden Kräfte
sind
wesensgleich den elastischen Kräften der

2. Die elastischen Kräfte wirken nur zwischen unmittelbar
benachbarten

Durch diese beiden Annahmen ist zwar die Theorie noch
nicht
vollständig festgelegt, da man die Elementargesetze der
Wechselwirkung
zwischen unmittelbar benachbarten Atomen
noch
bis zu einem gewissen Grade frei wählen kann. Auch
ist
nicht a priori klar, wie viele Moleküle man noch als ,,un-
mittelbar
benachbartansehen will. Die spezielle Wahl der
hieher
gehörigen Hypothesen ändert jedoch wenig an den
Resultaten
, so daß ich mich wieder an die einfachen An-
nahmen
halten will, die ich in jener Arbeit eingeführt habe.
Auch
die dort eingeführte Bezeichnungsweise will ich hier
wieder

In der zitierten Arbeit denke ich mir, daß jedes Atom
26
mit ihm elastisch in Wechselwirkung stehende Nachbar-
atome
habe, die rechnerisch in bezug auf ihre elastische Wir-
kung
auf das betrachtete Atom alle als gleichwertig an-
gesehen
werden dürfen. Die Berechnung der Eigenfrequenz
wurde
folgendermaßen durchgeführt. Man denkt sich die
26
Nachbaratome festgehalten und nur das betrachtete Atom
schwingend
; dieses führt dann eine ungedämpfte Pendel-

1) A. Einstein, Ann. d. Phys. 34. p. 170. 1911.

schwingung aus, deren Frequenz man berechnet (aus der
kubischen
Kompressibilität). In Wahrheit sind aber die
26
Nachbarmoleküle nicht festgehalten, sondern sie schwingen
in
ähnlicher Weise wie das betrachtete Atom um ihre Gleich-
gewichtslage
. Durch ihre elastischen Verknüpfungen mit dem
betrachteten
Atom beeinflussen sie die Schwingungen dieses
letzteren
, so daß dessen Schwingungsamplituden in den Ko-
ordinatenrichtungen
sich fortwährend ändern, oder -- was auf
dasselbe
hinauskommt -- die Schwingung weicht von einer
monochromatischen
Schwingung ab. Es ist unsere erste Auf-
gabe
, den Betrag dieser Abweichung abzuschätzen.


Ist m die Masse von M, so erhält man für M
die
Bewegungsgleichung

wobei über alle 26 Nachbaratome zu summieren

Nun berechnen wir die auf das Atom von den Nachbar-
atomen
während einer halben Schwingung übertragene Energie.
Dabei
rechnen wir so, wie wenn die Oszillation sowohl des
betrachteten
Moleküls, als auch der Nachbarmoleküle während
der
Zeit einer halben Schwingung rein sinusartig erfolgte,
d
. h. wir

Indem wir obige Gleichung mit (dx dt) dt multiplizieren
und
über die genannte Zeit integrieren, erhalten wir als Aus-
druck
für die Änderung der Energie

Bezeichnen wir mit die ganze Energiezunahme des
Atoms
, mit 1, 2 usw. die von den einzelnen Nachbaratomen
während
der Zeit einer halben Schwingung auf das Atom
übertragenen
Energiemengen, so können wir diese Gleichung
in
der Form

schreiben, wobei

gesetzt ist. Nach obigen Ansätzen für x, 1... ergibt sich
hiefür

Hieraus ergibt sich, daß die einzelnen Größen n gleich
wahrscheinlich
positiv wie negativ sind, wenn man be-
rücksichtigt
, daß die Winkel n jeden Wert gleich oft an-
nehmen
, und zwar unabhängig voneinander. Deshalb ist auch
= 0. Wir bilden nun als Maß für die Energieänderung den
Mittelwert
2. Wegen der angegebenen statistischen Eigen-
schaft
von 1 usw. ist

Da, wie leicht einzusehen ist,

so hat

Zur angenäherten Ausführung dieser Summe nehmen wir
an
, daß zwei der 26 Atome M' auf der x-Ache liegen, 16 der-
selben
einen Winkel von nahezu 450 (bzw. 1350 )gegen die
x-Achse machen, die übrigen acht in der y-z-Ebene liegen.
Wir
erhalten dann cos 2n = 10, so daß

Wir vergleichen nun mit diesem Mittelwert für die Energie-

zunahme des Atoms die mittlere Energie des Atoms. Der
Momentanwert
für die potentielle Energie des Atoms

Der Mittelwert der potentiellen Energie ist

Der Mittelwert der Gesamtenergie E ist

Der Vergleich von E mit zeigt, da die Energieänderung
während der Zeiteiner halben Schwingung von derselben Gröen-
ordnung ist wie die Energieselbst.

Die von uns zugrunde gelegten Ansätze für x, 1 usw.
sind
also eigentlich nicht einmal für die Zeit einer halben
Schwingung
angenähert richtig. Unser Resultat aber, daß sich
die
Schwingungsenergie bereits während einer halben Schwin-
gung
bedeutend ändert, wird hiervon nicht

§ 2. Spezifische Wärme einfacher fester Stoffe und
Strahlungstheorie
.

Bevor wir uns fragen, was für eine Konsequenz das soeben
erlangte
Resultat für die Theorie der spezifischen Wärme hat,
müssen
wir uns des Gedankenganges erinnern, der von der
Strahlungstheorie
zur Theorie der spezifischen Wärme führt.
Planck
hat bewiesen, daß ein durch Ausstrahlung schwach
gedämpfter
Oszillator von der Eigenfrequenz 0 in einem
Strahlungsfelde
von der Dichte u (u d = Strahlungsenergie
des
Frequenzbereiches d pro Volumeneinheit) die mittlere
Energie

annimmt, wenn c die Vakuumlichtgeschwindigkeit, 0 die Eigen-
frequenz
des Oszillators, u0 die Strahlungsdichte für die Fre-
quenz
0

Der betrachtete Oszillator bestehe in einem Ion, das durch
quasielastische
Kräfte an eine Gleichgewichtslage gebunden
sei
. Es mögen sich im Strahlungsraum auch noch Gasmoleküle

befinden, welche sich mit der Strahlung im statistischen (Tem-
peratur-
) Gleichgewichte befinden, und welche mit dem unseren
Oszillator
bildenden Ion Zusammenstöße erfabren können.
Durch
diese Zusammenstöße darf auf den Oszillator im Mittel
keine
Energie übertragen werden, da sonst der Oszillator das
thermodynamische
Gleichgewicht zwischen Gas und Strahlung
stören
würde. Es muß deshalb geschlossen werden, daß die
mittlere
Energie, welche die Gasmoleküle allein unserem Os-
zillator
erteilen würden, genau gleich groß ist wie die mittlere
Energie
, welche die Strahlung allein dem Oszillator erteilt,
also
gleich. Da es ferner für die molekularen Zusammen-
stöße
prinzipiell ohne Belang ist, ob das betreffende Gebilde
eine
elektrische Ladung trägt oder nicht, so gilt die obige
Relation
für jedes annähernd monochromatisch schwingende
Gebilde
. Seine mittlere Energie ist verknüpft mit der mitt-
leren
Dichte u der Strahlung von der gleichen Frequenz bei der
betreffenden
Temperatur. Faßt man die Atome fester Körper
als
nahezu monochromatisch schwingende Gebilde auf, so er-
hält
man demnach aus der Strahlungsformel direkt die Formel
für
die spezifische Wärme, welche für ein Grammolekül den
Wert
N(d dT) haben

Man sieht, daß diese Überlegung, deren Resultat mit den
Resultaten
der statistischen Mechanik bekanntlich nicht im
Einklang
steht, unabhängig ist von der Quantentheorie, über-
haupt
unabhängig von jeder speziellen Theorie der Strahlung.
Sie
stützt sich nur

  1. auf das empirisch bekannte Strahlungsgesetz,
  2. aufdie Plancksche Resonatorenbetrachtung, welche
    ihrerseits
    auf die Maxwellsche Elektromagnetik und
    Mechanik
    gegründet ist,
  3. auf dieAuffassung, daß die Atomschwingungen mit
    großer
    Annäherung sinusförmig sind.

Zu 2. ist ausdrücklich zu bemerken, daß die von Planck
benutzte
Schwingungsgleichung des Oszillators nicht ohne
Mechanik
streng abgeleitet werden kann. Die Elektromagnetik
bedient
sich nämlich bei der Lösung von Bewegungsaufgaben
der
Voraussetzung, daß die Summe der am Gerüst eines Elek-
trons
angreifenden elektrodynamischen und sonstigen Kräfte

stets Null sei, oder -- wenn man dem betreffenden Gebilde
ponderable
Masse zuschreibt -- daß die Summe der elektro-
dynamischen
und sonstigen Kräfte gleich sei der Masse multi-
pliziert
mit der Beschleunigung. Man hat also a priori wohl
Grund
, an der Richtigkeit des Resultates der Planckschen
Betrachtung
zu zweifeln, wenn man bedenkt, daß das Funda-
ment
unserer Mechanik, auf rasch periodische Vorgänge an-
gewendet
, zu der Erfahrung widersprechenden Resultaten führt1),
daß
also die Anwendung jenes Fundamentes auch hier Be-
denken
erregen muß. Trotzdem glaube ich, daß an der Planck-
schen
Beziehung zwischen u0 und festzuhalten ist, schon
deshalb
, weil sie eben zu einer angenähert richtigen Darstellung
der
spezifischen Wärme bei tiefen Temperaturen geführt

Dagegen haben wir im vorigen Paragraphen gezeigt, daß
die
Annahme 3. nicht aufrecht erhalten werden kann. Die
Atomschwingungen
sind nicht angenähert harmonische Schwin-
gungen
. Der Frequenzbereich eines Atoms ist so groß, daß
sich
die Schwingungsenergie während einer halben Schwingung
um
einen Betrag von der Größenordnung der Schwingungs-
energie
ändert. Wir haben also jedem Atom nicht eine bestimmte
Frequenz
, sondern einen Frequenzbereich zuzuschreiben,
der
von derselben Größenordnung wie die Frequenz selber ist.
Um
die Formel für die spezifische Wärme fester Körper exakt
abzuleiten
, müßte man für ein Atom eines festen Körpers
unter
Zugrundelegung eines mechanischen Modelles eine Be-
trachtung
durchführen, die der von Planck für den unend-
lich
wenig gedämpften Oszillator durchgeführten völlig analog
ist
. Man müßte berechnen, bei welcher mittleren Schwingungs-
energie
ein Atom, wenn es mit einer elektrischen Ladung ver-
sehen
wird, in einem Temperaturstrahlungsfelde ebensoviel
Energie
emittiert wie

Während ich mich ziemlich resultatlos mit der Durch-
führung
dieses Planes quälte, erhielt ich von Nernst den
Korrekturbogen
einer Arbeit zugesandt2), in welcher eine über-

1) Unsere Mechanik vermag nämlich die kleinen spezifischen Wärmen
fester
Körper bei tiefen Temperaturen nicht zu

2) W. Nernst u. F. A. Lindemann, Sitzungsber. d. preuß. Akad.
d
. Wiss. 22. 1911

raschend brauchbare vorläufige Lösung der Aufgabe enthalten
ist
. Er findet, daß die

die Temperaturabhängigkeit der Atomwärme vorzüglich dar-
stellt
. Daß diese Form sich der Erfahrung besser anschmiegt
als
die ursprünglich von mir gewählte, ist nach dem Voran-
gehenden
leicht zu erklären. Man kommt ja zu derselben
unter
der Annahme, daß ein Atom in der halben Zeit mit der
Frequenz
, in der andern Hälfte der Zeit mit der Frequenz 2
quasi
ungedämpft sinusartig schwinge. Die bedeutende Ab.
weichung
des Gebildes vom monochromatischen Verhalten findet
auf
diese Weise ihren primitivsten

Allerdings ist es dann nicht gerechtfertigt, als die Eigen-
frequenz
des Gebildes zu betrachten, sondern es wird als mitt-
lere
Eigenfrequenz ein zwischen und 2 liegender Wert
anzusehen
sein. Es muß ferner bemerkt werden, daß an eine
genaue
Übereinstimmung der thermischen und optischen Eigen-
frequenz
nicht gedacht werden kann, auch wenn die Eigen-
frequenzen
der verschiedenen Atome der betreffenden Ver-
bindung
nahe übereinstimmen, weil bei der thermischen
Schwingung
das Atom gegenüber allen benachbarten Atomen
schwingt
, bei der optischen Schwingung aber nur gegenüber
den
benachbarten Atomen entgegengesetzten

§ 3. Dimensionalbetrachtung zu Lindemanns Formel und zu
meiner
Formel zur Berechnung der Eigenfrequenz.

Aus Dimensionalbetrachtungen kann man bekanntlich zu-
nächst
allgemeine funktionelle Zusammenhänge zwischen physi-
kalischen
Größen finden, wenn man alle physikalischen Größen
kennt
, welche in dem betreffenden Zusammenhang vorkommen.
Wenn
man z. B. weiß, daß die Schwingungszeit eines mathe-
matischen
Pendels von der Pendellänge l, von der Beschleuni-
gung
g des freien Falles, von der Pendelmasse m, aber von
keiner
anderen Größe abhängen kann, so führt eine einfache

Dimensionalbetrachtung dazu, daß der Zusammenhang durch
die

gegeben sein muß, wobei C eine dimensionslose Zahl ist. Man
kann
aber bekanntlich noch etwas mehr aus der Dimensional-
betrachtung
entnehmen, wenn auch nicht mit voller Strenge.
Es
pflegen nämlich dimensionale Zahlenfaktoren (wie hier der
Faktor
C), deren Größe sich nur durch eine mehr oder weniger
detaillierte
mathematische Theorie deduzieren läßt, im all-
gemeinen
von der Größenordnung Eins zu sein. Dies läßt sich
zwar
nicht streng fordern, denn warum sollte ein numerischer
Faktor
(12 )3 nicht bei einer mathematisch-physikalischen
Betrachtung
auftreten können? Aber derartige Fälle gehören
unstreitig
zu den Seltenheiten. Gesetzt also, wir würden an
einem
einzigen mathematischen Pendel die Schwingungszeit
und
die Pendellänge l messen, und wir würden aus obiger
Formel
für die Konstante C den Wert 1010 herausbekommen,
so
würden wir unserer Formel bereits mit berechtigtem Miß-
trauen
gegenüberstehen. Umgekehrt werden wir, falls wir
aus
unseren Versuchsdaten für C etwa 6,3 finden, an Vertrauen
gewinnen
; unsere Grundannahme, daß in der gesuchten Be-
ziehung
nur die Größen , l und g, aber keine anderen
Größen
vorkommen, wird für uns an Wahrscheinlichkeit ge-

Wir suchen nun die Eigenfrequenz eines Atoms eines
festen
Körpers durch eine Dimensionalbetrachtung zu ermitteln.
Die
einfachste Möglichkeit ist offenbar die, daß der Schwin-
gungsmechanismus
durch folgende Größen bestimmt

1. durch die Masse m eines Atoms (Dimension m

2. durch den Abstand d zweier benachbarter Atome
(Dimension l

3. durch die Kräfte, welche benachbarte Atome einer
Veränderung
ihres Abstandes entgegensetzen. Diese Kräfte
äußern
sich auch bei elastischen Deformationen; ihre Größe
wird
gemessen durch den Koeffizienten der Kompressibilität x
(Dimension lt2 m).

Der einzige Ausdruck für aus diesen drei Größen,
welcher
die richtige Dimension hat,

wobei C wieder ein dimensionsloser Zahlenfaktor ist. Führt
man
für d das Molekularvolumen v ein (d = ), statt m
das
sogenannte M (M = N .m), so erhält man

wobei die Dichte

Die von mir durch molekularkinetische Betrachtung ge-
fundene
Formel

oder

stimmt mit dieser Formel überein mit einem Faktor C von
der
Größenordnung Eins. Der Zahlenfaktor, der sich aus
meiner
früheren Betrachtung ergibt, ist in befriedigender Über-
einstimmung
mit der Erfahrung.1) So berechnet man für Kupfer
nach
meiner Formel aus der

während sich mit Hilfe der im § 2 besprochenen Nernstschen
Formel
aus der spezifischen Wärme

ergibt. Dieser Wert von ist aber nicht als ,,wahre Eigen-
frequenz
aufzufassen. Von letzterer wissen wir nur, daß sie
zwischen
Nernsts und der Hälfte dieses Wertes liegt. Es
liegt
am nächsten, in Ermangelung einer genauen Theorie
als ,,wahre Eigenfrequenzaufzufassen, für welche
Größe
man nach Nernst für Kupfer den

erhält, in naher Übereinstimmung mit dem aus der Kom-
pressibilität
berechneten

1) Bezüglich der Annäherung, mit der die Formel gilt, vgl. den
letzten
Absatz dieses Paragraphen.

Wir wenden uns zu Lindemanns Formel.1) Wir nehmen
wieder
an, daß zunächst die Masse eines Atoms und der
Abstand
d zweier Nachbaratome auf die Eigenfrequenz von
Einfluß
sind. Außerdem nehmen wir an, es gebe mit einer
hier
genügenden Annäherung ein Gesetz der übereinstimmenden
Zustände
für den festen Zustand. Dann muß durch Hinzu-
fügung
einer weiteren charakteristischen Größe der Substanz,
welche
durch die vorgenannten noch nicht bestimmt ist, das
Verhalten
der Substanz, also auch die Eigenfrequenz, voll-
kommen
bestimmt sein. Als diese dritte Größe nehmen wir
die
Schmelztemperatur Ts. Diese ist natürlich für Dimensional-
betrachtungen
nicht ohne weiteres verwendbar, da sie nicht
im
C.G.S.-System unmittelbar gemessen werden kann. Wir
wählen
deshalb statt Ts die Energiegröße = RTs N als
Temperaturmaß
. ist ein Drittel der Energie, welche ein Atom
beim
Schmelzpunkt nach der kinetischen Theorie der Wärme
besitzt
(R = Gaskonstante, N = Zahl der Atome im Gramm-
atom
). Die Dimensionalbetrachtung liefert

Die Lindemannsche Formel

Auch hier ist also die dimensionslose Konstante C von der
Größenordnung

Die Untersuchungen Nernsts und seiner Schüler2) zeigen,
daß
diese Formel, trotzdem sie auf einer sehr gewagten An-
nahme
ruht, überraschend gute Übereinstimmung mit den aus
der
spezifischen Wärme bestimmten -Werten liefert. Es
scheint
daraus hervorzugehen, daß das Gesetz der überein-
stimmenden
Zustände für einfache Körper im festen und
flüssigen
Zustande mit bemerkenswerter Annäherung gilt. Die
Lindemannsche
Formel scheint sogar viel besser zu stimmen
als
meine auf weniger gewagter Grundlage ruhende Formel.

1) F. Lindemann, Physik. Zeitschr. 11. p. 609.

2) Vgl. insbesondere W. Nernst, Sitzungsber. d. prenß. Akad. d.
Wiss
. 13. p. 311. 1911.

Dies ist um so merkwürdiger, als meine Formel natürlich auch
aus
dem Gesetz der übereinstimmenden Zustände gefolgert
werden
kann. Sollte sowohl meine wie Lindemanns Formel
zutreffen
, so müßte, wie durch Division beider Formeln folgt,
M Ts x von der Natur des Stoffes unabhängig sein, eine Be-
ziehung
, die übrigens auch direkt aus dem Gesetz der
übereinstimmenden
Zustände gefolgert werden kann. Unter
Zugrundelegung
der Grüneisenschen1) Werte für die
Kompressibilität
der Metalle erhält man für diese Größe in-
dessen
Werte, die etwa zwischen 6 . 10-15 und 15 . 10-15
schwanken
! Dies ist in Verbindung mit der Tatsache, daß
sich
das Gesetz der übereinstimmenden Zustände im Falle der
Lindemannschen
Formel so befriedigend bewährt, recht
sonderbar
. Wäre es nicht vielleicht möglich, daß in allen Be-
stimmungen
der kubischen Kompressibilität der Metalle noch
systematische
Fehler stecken? Die Kompression unter all-
seitig
gleichem Druck ist noch nicht zur Messung verwendet
worden
, wohl wegen der bedeutenden experimentellen Schwierig-
keiten
. Vielleicht würden derartige Messungen bei Deformation
ohne
Winkeldeformation zu beträchtlich anderen Werten von
führen
als die bisherigen Messungen. Vom theoretischen
Standpunkt
aus liegt dieser Verdacht wenigstens

Das in § 1 gefundene Resultat läßt einen Versuch ge-
rechtfertigt
erscheinen, das thermische Leitvermögen fester,
nicht
metallisch leitender Substanzen angenähert zu berechnen.
Es
sei nämlich die mittlere kinetische Energie eines Atoms,
dann
gibt nach § 1 das Atom in der Zeit einer halben
Schwingung
Mittel eine Energie von der Größe
. an die umgebenden Atome ab, wobei ein
Koeffizient
von der Größenordnung Eins, aber kleiner
als
Eins ist. Denken wir uns die Atome in einem
Gitter
gelagert und betrachten wir ein Atom A,
welches
unmittelbar neben einer gedachten Ebene

1) E. Grüneisen, Ann. d. Phys. 25. p. 848. 1900.

liegt, die kein Molekül schneidet, so wird im Mittel etwa
die
Energie

vom Molekül A während der Zeit einer halben Schwingung
durch
die Ebene hindurchgesandt werden, in der Zeiteinheit
also
die

Ist d der kleinste Abstand benachbarter Atome, so liegen pro
Flächeneinheit
(1 d )2 Atome auf einer Seite an der Ebene an,
die
zusammen die

pro Flächeneinheit in der einen Richtung (Richtung der wach-
senden
x) durch die Flächeneinheit der Ebene senden. Da
die
Moleküle auf der anderen Seite der Schicht in der Zeit-
einheit
die

in der Richtung der negativen x durch die Flächeneinheit
senden
, so ist die ganze

Benutzen wir, daß d = (v N)1 /3 und bezeichnen wir mit W
den
Wärmeinhalt des Grammatoms bei der Temperatur T, so
erhalten
wir den

also für den Wärmeleitungskoeffizienten k

Wird W in Kalorien gemessen, so erhält man k im üblichen
Maß
(cal/cm secgrad). Erfüllt der Stoff in dem in Betracht
kommenden
Temperaturbereich das Gesetz von Dulong-Petit,
so
kann man,

hierfür etwa

Diese Formel wenden wir zunächst auf KCl an, welches sich
nach
Nernst bezüglich seiner spezifischen Wärme ähnlich wie
ein
Stoff mit lauter gleichen Atomen verhält, und erhalten,
indem
wir für den von Nernst aus dem Verlaufe der spezi-
fischen
Wärme ermittelten Wert 3, 5 . 1012

während die Erfahrung bei gewöhnlicher Temperatur etwa

ergibt.1) Die Wärmeleitung ist also viel größer als nach
unserer
Betrachtung zu erwarten wäre. Aber nicht nur dies.
Nach
unserer Formel2) sollte innerhalb der Gültigkeit des
Dulong-Petitschen
Gesetzes k von der Temperatur unab-
hängig
sein. Nach Euckens Resultaten ist aber das tat-
sächliche
Verhalten kristallinischer Nichtleiter ein ganz anderes;
x ändert sich annähernd wie 1 T. Wir müssen daraus schließen,
daß
die Mechanik nicht imstande ist, die thermische Leitfähig-
keit
der Nichtleiter zu erklären.3) Es ist hinzuzufügen, daß auch
die
Annahme von einer quantenhaften Verteilung der Energie
zur
Erklärung von Euckens Resultaten nichts

Man kann auf Euckens wichtiges Resultat, daß die
Wärmeleitungsfähigkeit
kristallinischer Isolatoren nahezu pro-
portional
1 T ist, eine sehr interessante Dimensionalbetrachtung
gründen
. Wir definieren die ,,Wärmeleitfähigkeit in natür-
lichem
Maßeknat durch die

wobei der Wärmefluß in absoluten Einheiten ausgedrückt
zu
denken ist = R T N gesetzt ist. knat ist eine im
C
.G.S.-System zu messende Größe von der Dimension .

1) Vgl. A. Eucken, Ann. d. Phys. 34. p. 217.

2) bzw. nach einer auf der Hand liegenden

3) Es muß bemerkt werden, daß hierdurch auch die Betrachtungen
der
§§ 1 und 2 unsicher werden.

Diese Größe kann bei einem einatomigen festen Isolator ab-
hängen
von den

d (Abstand benachbarter Atome; Dimension l

m (Masse eines Atoms; Dimension m

(Frequenz des Atoms; Dimension t-1

(Temperaturmaß Dimension m1 l2 t-2

Nehmen wir eine Abhängigkeit von weiteren Größen nicht an,
so
zeigt die Dimensionalbetrachtung, daß knat sich durch eine
Gleichung
von der

ausdrücken lassen muß, wobei C wieder eine Konstante von
der
Größenordnung Eins und eine a priori willkürliche
Funktion
bedeutet, die aber nach dem mechanischen Bilde
bei
Annahme quasielastischer Kräfte zwischen den Atomen
gleich
einer Konstanten sein müßte. Nach Euckens Resultaten
haben
wir aber annähernd dem Argument proportional zu
setzen
, damit knat dem absoluten Temperaturmaß umgekehrt
proportional
werde. Wir erhalten

wobei C eine andere Konstante von der Größenordnung Eins
bedeutet
. Führen wir statt knat wieder k ein, indem wir zur
Messung
des Wärmestromes die Kalorie und zur Messung des
Temperaturgefälles
den Celsiusgrad verwenden, und ersetzen
wir
m, d, durch ihre Ausdrücke in M, v, T, so erhalten

Diese Gleichung spricht eine Beziehung zwischen der Wärme-
leitfähigkeit
, dem Atomgewicht, dem Atomvolumen und der
Eigenfrequenz
aus. Für KCl bekommen wir aus dieser

Die Erfahrung ergibt k273 = 0, 0166, so daß C in der Tat von
der
Größenordnung Eins wird. Wir müssen dies als eine Be-
stätigung
der unserer Dimensionalbetrachtung zugrunde liegen-
den
Annahmen ansehen. Ob C einigermaßen unabhängig ist
von
der Natur der Substanz, wird die Erfahrung entscheiden

müssen; Aufgabe der Theorie wird es sein, die Molekular-
mechanik
so zu modifizieren, daß sie sowohl das Gesetz der
spezifischen
Wärme als auch das dem Anscheine nach so ein-
fache
Gesetz der thermischen Leitfähigkeit

Prag, Mai

Zur Verdeutlichung der letzten Absätze von § 2 sei
folgendes
bemerkt. Bezeichnet man mit ( 0) eine als zeit-
liche
Häufigkeit der momentanen Frequenz aufzufassende
Funktion
, mit (0 T) die spezifische Wärme des mono-
chromatischen
Gebildes von der Frequenz 0, so kann man
die
spezifische Wärme des nicht monochromatischen Gebildes
durch
die Formel

Zu Nernsts Formel kommt man, wenn man der Funk-
tion
( x) nur für die Argumente 1 und 1 /2 von Null ver-
schiedene
Werte

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