Max Planck Institute for the History of Science

Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte

























































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5. Bemerkung zu der Arbeit von D. Mirimanoff
,,Überdie Grundgleichungen...“;
von A. Einstein.

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1. Das in dieser Arbeit1) angegebene System von Diffe-
rentialgleichungen
und Transformationsgleichungen unter-
scheidet
sich von dem Minkowskis in keiner Weise bzw.
nur dadurch, daß derjenige Vektor, welcher gewöhnlich mit H
bezeichnet
wird (magnetische Kraft), vom Verfasser

bezeichnet

Differentialgleichung (I) ist nämlich bei Einführung von Q,
wie
der Verfasser selbst zeigt, identisch mit der betreffenden
Gleichung
Minkowskis, während die übrigen drei Differential-
gleichungen
H nicht enthalten und bereits die Form der ent-
sprechenden
Gleichungen Minkowskis haben. Der Verfasser
sagt
auch selbst, daß sich seine Vektoren G, D, Q, B trans-
formieren
, wie die gewöhnlich mit G, D, H, B bezeichneten

2. Auch die Beziehungen zwischen den Vektoren, welche
Materialkonstanten
(, und ) enthalten, unterscheiden sich
nicht
von den entsprechenden Minkowskis. Der Verfasser geht
nämlich
davon aus, daß für ein relativ zu dem betrachteten
Systempunkt
momentan ruhendes Koordinatensystem die Glei-

gelten sollen; bedenkt man nun, daß der Vektor H (des Ver-
fassers
) für w = 0 mit dem Vektor Q identisch ist, und daß Q
in
den Differentialgleichungen des Verfassers und in dessen
Transformationsgleichungen
genau dieselbe Rolle spielt, wie m
in
Minkowskis Gleichungen (gewöhnlich mit H bezeichnet),

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1) D. Mirimanoff, Ann. d. Phys. 28. p. 192. 1909.

so ersieht man, daß auch diese Gleichungen mit den ent-
sprechenden
Minkowskis übereinstimmen, bis auf den Um-
stand
, daß die Bezeichnung H durch die Bezeichnung Q er-
setzt

3. Es ist also gezeigt, daß die Größe Q Mirimanoffs in
dessen
sämtlichen Gleichungen dieselbe Rolle spielt wie die-
jenige
Größe, welche man gewöhnlich mit H bezeichnet und
,,magnetische Kraftoder ,,magnetische Feldstärkenennt.
Trotzdem
hätten die Gleichungen Mirimanoffs einen anderen
Inhalt
als die Gleichungen Minkowskis, wenn die Größe Q
Mirimanoffs
definitionsgemäß eine andere physikalische Be-
deutung
hätte als die gewöhnlich mit H bezeichnete

Um hierüber ein Urteil zu gewinnen, fragen wir uns zu-
nächst
, was in den Minkowskischen

(A)

die Vektoren G, D, H, B für eine Bedeutung haben. Man
muß
zugeben, daß diese Vektoren für den Fall, daß die Ge-
schwindigkeit
w der Materie von Null abweicht, bisher nicht
eigens
definiert worden sind; Definitionen, auf welchen (ideale)
Messungen
dieser Größen basiert werden könnten, besitzen
wir
nur für den Fall, daß w verschwindet, und zwar denke
ich
an jene Definitionen, welche aus der Elektrodynamik
ruhender
Körper wohlbekannt sind. Wenn daher unter Be-
nutzung
der Minkowskischen Gleichungen gefunden ist, daß
in
einem bestimmten, mit der Geschwindigkeit w bewegten
Volumelement
des Körpers die Feldvektoren zu einer gewissen
Zeit
die bestimmten (Vektor-) Werte G, D, H, B haben, so
müssen
wir diese Feldvektoren erst auf ein mit Bezug auf
das
betreffende Volumelement ruhendes Bezugssystem trans-
formieren
. Die so erhaltenen Vektoren G',D',H',B' haben
erst
eine bestimmte physikalische Bedeutung, die aus der
Elektrodynamik
ruhender Körper bekannt ist.

Die Minkowskischen Differentialgleichungen sagen
also
für Punkte, in denen w0 ist, für sich allein noch gar
nichts
aus, wohl aber die Minkowskischen Differentialglei-
chungen
zusammen mit den Minkowskischen Transformations-
gleichungen
und mit der Bestimmung, daß für den Fall w = 0
die
Definitionen der Elektrodynamik ruhender Körper für die
Feldvektoren
gelten

Wir haben nun zu fragen: Ist der Vektor Q Mirimanoffs
in
anderer Weise definiert als der von uns soeben mit H be-
zeichnete
Vektor? Dies ist nicht der Fall, und zwar aus
folgenden

1. Für die Feldvektoren G, D, Q, B Mirimanoffs
gelten
dieselben Differentialgleichungen und Transformations-
gleichungen
wie für die Vektoren G, D, H, B der Minkowski-
schen
Gleichungen

2. Sowohl Mirimanoffs Vektor Q als auch der Vektor H
von
(A) sind nur für den Fall w = 0 definiert. In diesem
Falle
ist aber wegen Mirimanoffs

Q = H = Feldstärke zu setzen; für den Vektor H der Glei-
chungen
(A) gilt genau in gleicher Weise, daß er im Falle w = 0
mit
der Feldstärke im Sinne der Elektrodynamik ruhender
Körper
gleichbedeutend

Aus diesen beiden Argumenten folgt, daß der Vektor Q
Mirimanoffs
und der Vektor H von (A) durchaus gleich-
wertig

4. Um seine Resultate bezüglich der Wilsonschen An-
ordnung
mit den von Hrn. Laub und mir erhaltenen zu ver-
gleichen
, hätte der Verfasser die Betrachtung so weit durch-
führen
müssen, daß er zu Beziehungen zwischen definierten,
d
. h. wenigstens prinzipiell der Erfahrung zugänglichen Größen ge-
langt
wäre. Er hätte zu diesem Zwecke nur die seinem Gleichungs-
system
entsprechenden Grenzbedingungen anzuwenden gehabt.
Nach
dem Vorigen hätte er so zu genau denselben Folgerungen
gelangen
müssen wie wir, da seine Theorie mit der von Min-
kowski
identisch

Schließlich möchte ich noch hinweisen auf die Bedeutung

der neulich erschienenen Arbeit von Ph. Frank1), welche die
Übereinstimmung
zwischen der Lorentzschen elektronen-
theoretischen
und der Minkowskischen Behandlung der
Elektrodynamik
bewegter Körper durch Berücksichtigung der
Lorentzkontraktion
wiederherstellt. Der Vorzug der elektronen-
theoretischen
Behandlungsweise liegt einerseits darin, daß sie
eine
anschauliche Deutung der Feldvektoren liefert, anderer-
seits
darin, daß sie auskommt ohne die willkürliche Voraus-
setzung
, daß die Differentialquotienten der Geschwindigkeit der
Materie
in den Differentialgleichungen nicht

Bern, Januar

1) Ph. Frank, Ann. d. Phys. 27. p. 1059.

(Eingegangen 22. Januar 1909.)

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