Max Planck Institute for the History of Science

Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte

























































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15. Bemerliun gen
zu der Notiz von Hrn. PaulEhrenfest:
,,Die Translation deformierbarerElektronen
und der Flächensatz“;
von A. Einstein.

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In der genannten Abhandlung sind folgende Bemerkungen

,,Die Lorentzsche Relativitätselektrodynamik wird in der
Formulierung
, in der sie Hr. Einstein publiziert hat, ziemlich
allgemein
als abgeschlossenes System angesehen. Dement-
sprechend
muß sich aus ihr rein deduktiv eine Antwort auf
die
Frage ergeben, die man durch Übertragung des A braham-
schen
Problems vom starren auf das deformierbare Elektron
erhält
: Angenommen, es existiere ein deformierbares Elektron,
das
in der Ruhe irgend eine nicht-kugelförmige und nicht
ellipsoidische
Gestalt besitzt. Bei gleichförmiger Translation
erfährt
dieses Elektron nach Hrn. Einstein die bekannte
Lorentz-Kontraktion
. Ist nun für dieses Elektron gleich-
förmige
Translation nach jeder Richtung hin kräftefrei möglich
oder

Hierzu habe ich folgendes zu

1. Das Relativitätsprinzip oder -- genauer ausgedrückt --
das
Relativitätsprinzip zusammen mit dem Prinzip von der
Konstanz
der Lichtgeschwindigkeit ist nicht als ein ,,ab-
geschlossenes
System“, ja überhaupt nicht als System auf-
zufassen
, sondern lediglich als ein heuristisches Prinzip,
welches
für sich allein betrachtet nur Aussagen über starre
Körper
, Uhren und Lichtsignale enthält. Weiteres liefert die
Relativitätstheorie
nur dadurch, daß sie Beziehungen zwischen

sonst voneinander unabhängig erscheinenden Gesetzmäßigkeiten

Die Theorie der Bewegung des Elektrons beispielsweise
kommt
folgendermaßen zustande. Man setzt die Maxwell-
schen
Gleichungen für das Vakuum für ein Koordinatenzeit-
system
voraus. Durch Anwendung der vermittelst des Rela-
tivitätssystems
hergeleiten Ort-Zeit-Transformation findet man
die
Transformationsgleichungen für die elektrischen und magne-
tischen
Kräfte. Unter Benutzung der letzteren findet man
durch
abermalige Anwendung der Ort-Zeit-Transformation aus
dem
Gesetz für die Beschleunigung des langsam bewegten
Elektrons
(welches angenommen bez. der Erfahrung ent-
nommen
wurde) das Gesetz für die Beschleunigung des be-
liebig
rasch bewegten Elektrons. Es handelt sich hier also
keineswegs
um ein ,,System“, in welchem implizite die einzelnen
Gesetze
enthalten wären, und nur durch Deduktion daraus
gefunden
werden könnten, sondern nur um ein Prinzip, das
(ähnlich wie der zweite Hauptsatz der Wärmetheorie) gewisse
Gesetze
auf andere zurückzuführen

2. Als man sich noch nicht auf das Relativitätsprinzip
stützte
, sondern die Bewegungsgesetze des Elektrons auf
elektrodynamischem
Wege zu ermitteln strebte, sah man sich
genötigt
, über die Verteilung der Elektrizität bestimmtere
Annahmen
zu machen, damit das Problem kein unbestimmtes
sei
. Man dachte sich dabei die Elektrizität auf einem
(starren) Gerüst verteilt. Es ist wohl zu beachten, daß die
Gesetze
, nach welchen ein solches Gebilde sich bewegt, nicht
aus
der Elektrodynamik allein hergeleitet werden können.
Das
Gerüst ist ja nichts anderes als die Einführung von
Kräften
, welche den elektrodynamischen das Gleichgewicht
leisten
. Wenn wir das Gerüst als einen starren (d. h. durch
äußere
Kräfte nicht deformierbaren) Körper ansehen, so
kann
das Problem der Bewegung des Elektrons dann und
nur
dann auf deduktivem Wege ohne Willkür gelöst werden,
wenn
die Dynamik des starren Körpers hinreichend genau be-
kannt

Falls die Relativitätstheorie zutrifft, sind wir von letz-
terem
Ziele noch weit entfernt. Wir besitzen erst eine Kine-
matik
der Paralleltranslation und einen Ausdruck für die

kinetische Energie eines in Paralleltranslation begriffenen
Körpers
, falls letzterer mit anderen Körpern nicht in Wechsel-
wirkung
steht1); im übrigen ist sowohl die Dynamik als auch
die
Kinematik des starren Körpers für den vorliegenden Fall
noch
als unbekannt zu

Bern, den 14. April

1) Daß letztere Einschränkung wesentlich ist, werde ich demnächst
in
einer Arbeit

(Eingegangen 16. April 1907.)

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